SHINY HAPPY SHOES

Schuhe putzen wie die Profis: Wie das geht, weiß keiner besser Thomas Ganick. Er ist seit 20 Jahren Schuhputzer, gibt Workshops und Seminare - und verrät hier seine Tricks

Schauen Sie Menschen zuerst in die Augen oder auf die Schuhe?
Unbewusst wahrscheinlich auf die Schuhe, immerhin mache ich diesen Beruf nun schon knapp 20 Jahre. 

Können Sie dabei Rückschlüsse ziehen?
Schuhe sagen schon einiges über den Träger aus. Das hat erst mal nicht so viel damit zu tun, ob die Schuhe teuer oder günstig waren, sondern ob sie gepflegt oder ungepflegt sind. Ein 1000-Euro Schuh, dessen Absätze diagonal abgelaufen sind, sieht natürlich weniger schick aus als ein 100-Euro-Schuh, der gut in Schuss ist. 

Und gut geputzt ist...
Für viele ist Schuheputzen eine eher unbeliebsame Tätigkeit so wie Bettenbeziehen, den Mülleimer runterbringen oder Kartoffelnschälen. Wer keine Lust darauf hat, kann es deshalb an mich auslagern - Privathaushalte und Firmen aus ganz Deutschland schicken mir per Post Schuhe zu. Es gibt aber auch Menschen, die Schuheputzen lieben. 

Ist ein bisschen wie Meditieren, oder?
Ja, manche stellen sich einmal im Monat ihre acht oder zehn Paar hin, dazu ein Glas Rotwein, schwarzes Vinyl auf dem Plattenspieler... das Putzen ist dann tatsächlich wie Meditation; eine Zeit in der sie zur Ruhe kommen. Und am Ende steht ein Erfolgserlebnis.

"Das Putzen ist dann tatsächlich wie Meditation; eine Zeit, in der sie zur Ruhe kommen. Und am Ende steht ein Erfolgserlebnis."

Wie lange kann man das Leben eines Schuhs durchs Putzen verlängern?
Erheblich! Zum einen durch die Pflege, die gewährleistet, dass das Leder geschmeidig bleibt und Glanz oder Patina erhalten bleibt. Zum anderen indem Verschleißteile wie Absätze oder Sohlen regelmäßig ausgetauscht werden. Gewisse Schuhe aus hochwertigem Leder können locker 35, 40 Jahre überstehen, normale Rinds- oder Kalbslederschuhe bei guter Pflege bestimmt 15 Jahre. Und dann gibt es natürlich auch Schuhe, die man aufhebt und reparieren lässt, weil man Erlebnisse mit ihnen verbindet: die ersten Schuhe nach dem Studium, die Hochzeitsschuhe oder Schuhe, die vom Vater auf den Sohn vererbt wurden. Früher war ein Schuh noch ein richtiger Luxusartikel.

Welche Fehler machen Menschen beim Putzen?
Sie putzen zu selten, zu viel. Nur einmal im Jahr zu putzen, aber dafür richtig dick aufzutragen bringt nichts. Das Leder nimmt die ganze Pflege nicht an, der Schuh verfärbt, oder die Creme bleibt in den Nähten hängen.

Wie oft ist also ratsam?
Pauschal ist das schwer zu beantworten, das hängt immer auch von der Beanspruchung ab. Businessschuhe, die nur im Büro getragen werden und höchstens noch, wenn man zum Mittagessen rausgeht, werden natürlich wesentlich weniger beansprucht als die eines Architekten, der auch mal über eine nasse Baustelle klettert. Sind die Schuhe nicht übermäßig verschmutzt, dürfte es aber ausreichen, wenn sie alle drei bis vier Wochen mit Palmen- oder Hartwachsen behandelt werden. Trägt man zwischendurch mal eine Lage nach und poliert sie wieder aus, sind sie sofort wieder tipptopp.

Wie putzt man seine Schuhe richtig?
Den Anfang macht die Grobreinigung: Schmutz, Sand, kleine Steine, der getrocknete Schlamm aus der Pfütze – das alles wird mit einer Bürste entfernt oder vorsichtig abgekratzt. Die Grundregel aber lautet: Alles, was man trocken vom Schuh runterbekommt, macht später keinen Ärger mehr. Geht man indes gleich mit einem feuchten Schwamm an die Verschmutzung, dringt sie ins Leder ein. Das ergibt also wenig Sinn. Flecken, die nach der Grobreinigung noch zu sehen sind, werden dann noch einmal gesondert behandelt – mit einem speziellen Reiniger oder bei Rauleder mit einem Radierer oder durch Anschleifen. Und dann wird geputzt.

"Viele putzen zu selten - und wenn, dann oft zu viel"

Womit?
Ich arbeite zu über 90 Prozent mit Hartwachsen, die ich mit den Fingern auftrage. Dann warte ich etwas, bis sie aushärten, und poliere sie anschließend aus – zunächst mit einer groben Bürste, dann mit einer feineren.

Sie sind Profi. Doch welche Basis-Schuhpflege sollten Nichtprofis zu Hause haben?
Klassische Schuhcremes trocknen schnell aus, wenn man sie nicht oft benutzt. Hartwachse sind ein reines Naturprodukt. Sie halten wesentlich länger, und man kann sie mit ein bisschen Wärme – daher arbeite ich mit den Fingern – wieder geschmeidiger machen. Als Basis-Set: ein schwarzes, dunkelbraunes und farbloses Hartwachs. Die kann man untereinander übrigens auch gut mischen.

Warum reicht eine farblose Pflege nicht aus?
Zum einen weil die Leute oft zu viel davon benutzen – und sich dann auf der Oberfläche dunkler Schuhe ein milchiger Film bilden kann, der mit der Zeit immer schwerer auspolierbar wird. Zum anderen weil Schuhe durch die tägliche Benutzung – Treppensteigen, Auto- oder Radfahren – vorne abgestoßen werden oder etwas Farbe verlieren können. Daher ist es sinnvoll, mit der entsprechenden Farbe zu putzen.

Kann man Schrammen oder kleine Kratzer tatsächlich rauspolieren?
Kleinere ja. Zumindest kann man sie gut kaschieren. Ist jedoch die Oberfläche des Leders beschädigt, sollte sie in einer Werkstatt mit Heißwachs wieder glatt gezogen und versiegelt werden.

Wie bekommt man Lederschuhe besonders glänzend?
Die Königsklasse ist die sogenannte Wasserpolitur. Für sie benutzt man gar keine Bürsten, sondern nur den Finger, einen Lappen, einen Tropfen Wasser und das Wachs. Dann poliert man immer im Wechsel einen Tropfen Wasser und etwas Wachs – und zwar so lange, bis man sich darin spiegelt. Schon Opa hat früher beim Putzen manchmal auf die Schuhe gespuckt ... Das kann ich bei den Kunden, die auf meinem Schuhputzstuhl sitzen, natürlich schlecht machen – aber das Prinzip ist im Grunde dasselbe: Die Oberfläche wird geglättet, indem man einen Film erzeugt. Online gibt es übrigens ganz tolle Videos zur Wasserpolitur.


Was mögen Sie am Schuheputzen eigentlich am liebsten?
Es gibt kaum einen Job auf der Welt, in dem man jeden Tag so oft gelobt wird und Anerkennung findet. Eben weil die meisten Menschen es nicht so gerne oder oft selber machen, sind sie verblüfft, wie gut die Schuhe am Ende aussehen.

PFLEGERATGEBER
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